Reizdarmsyndrom: Ursachen und Verstärker
Darm und Hirn beeinflussen sich gegenseitig
Die Ursachen des Reizdarmsyndroms sind vielfältig und müssen daher noch weiter erforscht werden. Ein paar Anhaltspunkte konnten Forschende bereits ermitteln.
Ein wichtiger Bestandteil der Ursachenforschung ist die Darm-Hirn-Achse bzw. Hirn-Darm-Achse. Damit gemeint ist, dass eine Verbindung zwischen der Darm- und der Hirngesundheit festgestellt wurde. Die beiden Organe beeinflussen sich gegenseitig.
Es gibt neben dem RDS viele weitere Erkrankungen, die mit der Darm-Hirn-Achse assoziiert werden und welche auf eine Beeinflussung der Organe durch die Darmbakterien beruht.
Körperliche Ursachen des Reizdarmsyndroms
Bestimmte Faktoren können Ursache oder mitverantwortlich für ein Reizdarmsyndrom sein:
- Störungen der Darmbewegung: Bei einer gut funktionierenden Verdauung sind vom Kauprozess bis zur Ausscheidung des Stuhls alle Organe gut aufeinander abgestimmt. Der Darm arbeitet hart für unsere Verdauung. Er bewegt sich viel, schiebt den Nahrungsbrei hin und her, knetet ihn durch. Wenn das nicht mehr richtig funktioniert, können Beschwerden auftreten. Auslöser dafür kann zum Beispiel chronischer Stress und zu wenig Bewegung sein [3,4,5]
- Gestörter Gallensäure-Stoffwechsel [Leitlinie]:
Bei etwa der Hälfte der RDS-Patienten, die unter Durchfall leiden, ist ein gestörter Gallensäure-Stoffwechsel die Ursache. Am Ende des Dünndarms werden nicht ausreichend Gallensäuren wieder in den Kreislauf zurückgeführt. Sie rauschen dann in den Dickdarm und verflüssigen und verfetten den Stuhl.
- Veränderte Darmschleimhaut [6,7,8]:
Eine gesunde Darmschleimhaut kleidet den Darm in ein schützendes Gewand. Wenn sich diese schützende Barriere zwischen Darm und Blutgefäßen verändert, hat das negative Auswirkungen. Durch die erhöhte Durchlässigkeit der Barriere, gelangen mehr Stoffe aus dem Darm in den Blutkreislauf. Das Immunsystem wird dann stark belastet. Eine erhöhte Durchlässigkeit der Schleimhautbarriere im Darm wird zudem mit einem erhöhten Schmerzempfinden in Verbindung gebracht (viszerale Hypersensitivität, siehe oben).
- Auslöser für ein erhöhtes Schmerzempfinden [9,10]:
Die Gründe für ein früheres oder erhöhtes Schmerzempfinden kann Ursachen auf verschiedenen Ebenen haben. Der Auslöser kann in der Darmwand, im Rückenmark oder im Gehirn sein. Deshalb können Mahlzeiten mit starken Reizen, z.B. scharfe Lebensmittel bestimmte RDS-Symptome wie Schmerzen, Blähungen oder Stuhldrang verstärken.
Körper und Seele beeinflussen sich gegenseitig
Körperliche Faktoren stehen in einem engen Zusammenhang mit sozialen Einflüssen und unserem seelischen Befinden.
Psychologische Faktoren sind wichtig, wobei besonders akut- oder chronisch- stressige Ereignisse eine Rolle bei der Entstehung von RDS spielen [1,2].
Der Reizdarm und psychische (Angst-) Störungen und Depressionen können sich gegenseitig bedingen. So kann das RDS durch solche Erkrankungen hervorgerufen oder aufrechterhalten werden. Menschen mit Reizdarm entwickeln häufig eine Angststörung oder Depressionen [1,2].
Auch soziale Faktoren spielen eine Rolle. Zum Beispiel wirkt sich eine stabile, funktionierende Paarbeziehung, ein gutes soziales Umfeld und auch ein erfüllender Beruf positiv auf das RDS aus. Gegenteilig wirken sich Einsamkeit und Unwohlsein in einer Paarbeziehung negativ auf das RDS aus [1,2].
Verdacht auf Reizdarm
Fragen, die du dir selbst stellen kannst, ob du an einem Reizdarmsyndrom leidest, sind folgende [1]:
- Fühlt es sich nach dem Stuhlgang so an, als wäre noch nicht alles draußen?
- Sind deine Schmerzen/Symptome nach dem Stuhlgang gemindert oder weg?
- Fühlst du dich häufig aufgebläht?
- Hast du das Gefühl, gar nichts mehr zu vertragen?
Solltest du drei oder vier Fragen mit ja beantwortet haben und diese Beschwerden schon seit mehreren Monaten vorhanden sein, besteht der Verdacht, dass du an Reizdarm leiden könntest. Suche deine Arztpraxis des Vertrauens auf, um dies abklären zu lassen.
Warum kann die Diagnose Reizdarmsymptom hilfreich sein?
Eine Möglichkeit die definitiv in Betracht gezogen werden sollte, ist eine Lebensstiländerung. Diese umfasst mehrere Bausteine. Hilfreich können dabei Symptomtagebücher, Erfahrungsberichte andere Patienten oder ein Ernährungstagebuch sein. Durch das Herausfinden von Stressfaktoren im Alltag oder schmerzauslösender Ernährungsbestandteile kann ein Umgang mit diesen ermöglichen und ein höheres Bewusstsein für sich und seinen Körper hervorrufen. Auch ein besseres Verständnis des RDS kann zu einem verbesserten Umgang mit diesem führen. Neben der Anpassung der Ernährung sollte auch genug Bewegung im Alltag integriert werden aber auch Entspannungsverfahren berücksichtig werden. Hilfreich können zudem eine Ballaststoffreiche Ernährung (da diese sowohl bei Durchfall als auch bei Verstopfungen hilft), Medikamente oder auch eine Psychotherapie sein [1].
Wichtig ist bei allen Schritten die Rücksprache mit deinen Ärztïnnen. Hilfreich ist für viele Betroffene der Weg zu jemandem, der auf dieses Thema spezialisiert ist. Das können neben Ärztïnnen, auf Reizdarm spezialisierte Ernährungstherapeutïnnen oder Heilpraktikerïnnen sein. In der Arztpraxis ist leider häufig die Zeit nicht da, die es braucht, um ein Reizdarmsyndrom ganzheitlich zu therapieren.
[1] Miriam Goebel-Stengel, Andreas Stengel (2022); Ratgeber Reizdarmsyndrom; Springer Berlin, Heidelberg; https://doi.org/10.1007/978-3-662-64525-3
[2] Layer P et al. Update S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom… Z Gastroenterol 2021; 59: 1323–1415 | © 2021. Thieme.
[3] Gunnarsson J, Simren M. Peripheral factors in the pathophysiology of irritable bowel syndrome. Dig Liver Dis 2009; 41: 788–793
[4] Camilleri M, McKinzie S, Busciglio I et al. Prospective study of motor, sensory, psychologic, and autonomic functions in patients with irritable bowel syndrome. Clin Gastroenterol Hepatol 2008; 6: 772–781
[5] Ng C, Danta M, Kellow J et al. Attenuation of the colorectal tonic reflex in female patients with irritable bowel syndrome. Am J Physiol Gastro intest Liver Physiol 2005; 289: G489–G494
[6] Piche T, Barbara G, Aubert P et al. Impaired intestinal barrier integrity in the colon of patients with irritable bowel syndrome: involvement of soluble mediators. Gut 2009; 58: 196–201
[7] Martinez C, Gonzalez-Castro A, Vicario M et al. Cellular and molecular basis of intestinal barrier dysfunction in the irritable bowel syndrome. Gut Liver 2012; 6: 305–315
[8] Zhou Q, Zhang B, Verne GN. Intestinal membrane permeability and hypersensitivity in the irritable bowel syndrome. Pain 2009; 146: 41–46
[9] Mertz H, Naliboff B, Munakata J et al. Altered rectal perception is a biological marker of patients with irritable bowel syndrome. Gastroen terology 1995; 109: 40–52
[10] Gonlachanvit S, Mahayosnond A, Kullavanijaya P. Effects of chili on postprandial gastrointestinal symptoms in diarrhoea predominant irritable bowel syndrome: evidence for capsaicin-sensitive visceral no ciception hypersensitivity. Neurogastroenterol Motil 2009; 21: 23–32